Ein perfektes Interview schreiben: Aufbau als Schlüsselfaktor
Fragen, Antworten – fertig ist das Interview? So einfach ist es natürlich nicht. Bei der Vorbereitung, dem Führen und dem Schreiben eines Interviews gibt es viele Einzelheiten zu beachten. Und am Ende soll ein Artikel stehen, der gern gelesen wird.
Das A und O: ein sauberer Interviewleitfaden
Zu den Aufgaben eines Autors gehört es auch, Interviews zu führen. Ob es um ein Interview zu einer bestimmten Meinung, einer Person oder einer Sache geht: Wichtig ist vor allen Dingen, dass der Interviewer das Gespräch gut vorbereitet. Sowohl bei der Durchführung als auch beim Aufschreiben gilt es grundlegende Regeln zu beachten.
Die Vorbereitung des Interviews
Die Vorbereitung fängt schon bei der Auswahl des Gesprächspartners an. Klar: Wenn das Thema die Person ist – zum Beispiel ein Prominenter –, ist die Wahl vorgegeben. Doch bei Interviews zu einem bestimmten Thema oder einer expliziten Meinung steht und fällt die Qualität des Ergebnisses mit dem Interviewpartner.
- Welcher Experte garantiert Interviews, die nicht langweilig werden?
- Welcher Augenzeuge berichtet anschaulich und aufschlussreich zu einem Ereignis?
- Welcher Politiker bietet mehr als nur hohle Phrasen, wenn es um ein spannendes Thema oder eine viel diskutierte Meinung geht?
Wichtig bei der Auswahl ist auch das Ziel des Interviews. Worum geht es? Manchmal liegt der eigentliche Zweck des Interviews in der Erklärung eines bestimmten Sachverhalts. Oft soll aber auch ganz bewusst eine bestimmte Meinung im Zentrum stehen. Es ist wichtig, mögliche inhaltliche Ziele des Interviews vorab herauszufinden. Welche Botschaft möchtest du letztlich vermitteln? Anhand dieser Kriterien sollte sich die Auswahl des Gesprächspartners orientieren.
Wenn der Gesprächspartner feststeht (und sein Einverständnis für ein Interview gegeben hat), geht es an die Auswahl und Formulierung der Fragen. Zumindest ein Grundgerüst sollte vorhanden sein. Das Weitere ergibt sich oft aus der Dynamik des Gesprächs.
Übrigens: Zur Vorbereitung eines Interviews gehört immer ein gewisses Maß an Fachwissen. Man sollte sich deshalb vor dem Interview-Termin vergewissern, ob dieses Fachwissen zumindest in Grundzügen vorhanden ist und notfalls auffrischen!
Die Durchführung eines Interviews
Ob ein Gespräch gelingt, hängt im Wesentlichen von psychologischen Aspekten ab. Du findest sofort einen Draht zu deinem Gesprächspartner? Perfekt! Dann wirst du vermutlich keine Schwierigkeiten haben, verwertbare Informationen zu bekommen. Es ist wichtig, dass du dich als Interviewer aufmerksam und interessiert zeigst. Entsprechend angenehm gestaltet sich in der Folge auch die Gesprächsatmosphäre. Der Interviewte fühlt sich verstanden und wertgeschätzt. Um die Gesprächsatmosphäre nach und nach zu verbessern, bietet sich folgendes Vorgehen an: Stelle zuerst die Fragen, die für den Gesprächspartner leicht zu beantworten sind. Dies vermittelt ihm schon am Anfang ein Gefühl der Sicherheit. Danach können die Fragen sukzessive schwieriger und kritischer werden.
Es geht also beim Interview im Wesentlichen darum, das gegenseitige Verhältnis aufzulockern. Dazu gehört auch, dass der Autor dem Interviewpartner gut zuhört und sich selbst stets zurücknimmt. Wer genau auf das achtet, was der Gesprächspartner sagt, wird im Verlauf des Gesprächs zu interessanten Fragen inspiriert.
Im Einzelnen geht der Interviewer wie folgt vor:
- Am Anfang steht eine freundliche Begrüßung.
- Die Fragen werden einzeln gestellt.
- Antworten können kommentiert werden. Oft führen die Antworten zu weiteren Fragen.
- Während des Interviews macht sich der Autor Notizen. Eine Aufnahme des Interviews ist nur mit Genehmigung des Befragten erlaubt.
- Am Ende wird der Interviewpartner verabschiedet.
Den Gesprächspartner zum Reden animieren
Natürlich kann der Interviewer hier und da ein paar psychologische Tricks anwenden, um brisante Informationen oder wahre Gefühle aus seinem Gesprächspartner zu locken. Dabei sollte man aber nicht zu forsch vorgehen, denn sonst wird der Partner des Gesprächs leicht zum Gegner.
- Ein wenig Smalltalk vor dem eigentlichen Interview dient der Auflockerung.
- Ständiger Augenkontakt signalisiert dem Gegenüber Aufmerksamkeit.
- Es ist wichtig, immer gut zuzuhören.
- Kurze, einfache Fragen sind besonders gut geeignet, um verwertbare Antworten zu erhalten, bei denen der Gesprächspartner nicht ausweichen kann.
Hier eignen sich insbesondere offene W-Fragen („Wer … ?“, „Wie … ?“, „Wann … ?“, „Wo … ?“, „Warum … ?“). Dem Interviewten sollte immer genug Zeit gegeben werden, um auszureden. Es ist für den Erfolg des Interviews entscheidend, dass der Gesprächspartner deutlich mehr redet als der Fragesteller. Um eine klare Position zu erfahren, sind auch Suggestivfragen erlaubt – diese sollte der Interviewer aber sparsam einsetzen.
Interview schreiben: Aufbau
Beim Verfassen eines Artikels ist der Autor weitgehend frei. Ein Interview dagegen setzt dem Verfasser – wenn das Gespräch bereits geführt wurde – deutliche Grenzen. Denn das Gesprochene ist die Grundlage des Textes. Der Befragte hat ein Recht darauf, dass seine Antworten wahrheitsgetreu wiedergegeben werden. Die Fragen und Antworten dürfen in ihrem Wesensgehalt nicht verfälscht werden. Aus diesem Grund ist die Vorbereitung des Interviews so wichtig – vor allem der Inhalt und der Aufbau der Fragen.
Klar ist: Das Interview muss nicht eins zu eins (mit jedem Räuspern des Gesprächspartners und jedem Versprecher) aufgezeichnet werden. Leichte Änderungen sind möglich. So kannst du einzelne Passagen durchaus weglassen, um den Text insgesamt zu kürzen. Achtung: Diese Weglassungen dürfen aber nicht den Sinn der Aussagen verändern. Die Reihenfolge der Fragen darfst du ebenfalls ändern. Aber auch hier gilt das oben Gesagte entsprechend.
Am Ende der Aufbereitung eines Interviews für eine Zeitschrift, eine Zeitung oder eine Website steht ein sogenanntes „geformtes Interview“ – also das, was letztlich den Weg in den Druck oder ins Netz findet. Diese Liste kann als Orientierungshilfe dienen:
- Einleitung mit einer kurzen Vorstellung des Gesprächspartners und des Themas. Was war zum Beispiel der Anlass, dass dieses Interview geführt wurde?
- An den Anfang gehören die Fragen, die in das Thema einleiten und dem Leser eine Orientierung bieten. Ideal ist ein Aufbau, der das Thema einem völlig ahnungslosen Leser von selbst erklärt.
- Auch für das Interview gilt: Der Aufbau muss dramaturgisch stimmen. Das Interview steigt immer tiefer in das Thema ein und wird dadurch Zeile für Zeile spannender.
- Die Fragen sollten grundsätzlich kürzer sein als die Antworten.
- Am Schluss des Interviews sollte eine möglichst prägnante Aussage stehen.
Wenn der Interviewte nicht vorab sein Einverständnis gegeben hat, ist das fertig geschriebene Interview zu autorisieren. Erst dann darf es veröffentlicht werden.
Interview schreiben: FAQs
Der Begriff Interview setzt sich aus dem lateinischen „inter“ (dazwischen) und dem englischen „view“ (Meinung) zusammen. Es ist eine spezielle Form der Befragung. Interviews sind in verschiedenen Graden standardisiert und strukturiert. Ein stark standardisiertes Interview erfolgt zum Beispiel mit einem Fragebogen. Ein freies Interview dagegen hat keinerlei Vorgaben in Bezug auf die Fragen. Es gibt auch halbstrukturierte Interviews.
Welche Interviewformen gibt es?
Im Allgemeinen unterscheiden wir zwischen strukturiertem, unstrukturiertem und halbstrukturiertem Interview.
- Das strukturierte Interview folgt einem strengen Aufbau: Die auf einem Fragebogen festgehaltenen Fragen werden nach und nach abgearbeitet.
- Beim unstrukturierten Interview legt der Interviewer Wert darauf, dass der Interviewpartner frei und von sich heraus erzählt. Der Gesprächspartner wird nicht gelenkt.
- Das halbstrukturierte (semistrukturierte) Interview lenkt den Befragten zwar hier und da in eine bestimmte Richtung. Die Fragen und deren Reihenfolge sind dabei aber flexibel. Im Vordergrund steht die Dynamik des Gesprächs.
Welche Frageformen gibt es bei einem Interview?
Eine geschlossene Frage lässt nur eine Antwortmöglichkeit zu. Der Vorteil: eine klare Information. Allerdings kann die geschlossene Frage den Gesprächsverlauf auch zum Stocken bringen. Eine offene Frage lässt dem Interviewten viele Freiheiten.
Eine direkte Frage stellt einen offenen Bezug zum Interviewten und dem Thema her. Beispiel: „Was ist Ihre Meinung dazu?“ Eine indirekte Frage zielt auf das Gleiche hinaus. Allerdings verschleiert sie diese Absicht, indem sie vermeintlich auf eine andere Antwort abzielt. Beispiel: „Was meinen Sie, was XYZ dazu sagen würde?“
Eine gestützte Frage enthält bereits Antwortmöglichkeiten. Sie hilft damit dem Gesprächspartner, vor allem dann, wenn dieser etwas unsicher ist. Die ungestützte Frage dagegen lässt alle Antwortmöglichkeiten offen. Sie gibt Raum für einen Redefluss.
Suggestivfragen nehmen die Antwort schon vorweg oder bieten bereits eine Antwort an: „War es XYZ, der Ihnen diesen Vorschlag gemacht hat?“ Rhetorische Fragen dagegen sind nur in ihrer formalen Struktur Fragen. Inhaltlich sind sie bereits Statements. Von Suggestivfragen und rhetorischen Fragen sollte man nur mit Vorsicht Gebrauch machen.
Steuerungsfragen lenken das Interview in eine bestimmte Richtung. Sie bringen neue Themen ein oder fokussieren inhaltliche Aspekte. Aufrechterhaltungsfragen halten das Interview dagegen im Gang, ohne einen neuen inhaltlichen Aspekt zu berühren. Sie bleiben in der Erzählsituation („Wie war das für Sie?“) oder schreiben diese fort („Wie ging es dann weiter?“).
Wie lang sollte ein Interview sein?
In der Kürze liegt die Würze – diese Weisheit gilt auch für Interviews. Ein Interview, das letztlich auch gelesen wird, darf nicht zu lang sein. Verläuft ein Gespräch sehr zäh, solltest du als Interviewer natürlich mehr Zeit einplanen, um verwertbare Antworten zu bekommen. Im Allgemeinen gilt, dass man sich pro halbe Stunde etwa 15 Fragen notieren sollte.
Inwieweit dürfen Antworten verändert werden?
Was der Befragte sagt, sollte so weit wie möglich wörtlich wiedergegeben werden. Ausnahmen gelten für offensichtliche Versprecher oder grammatische Fehler. Diese können korrigiert werden. Das Interview darf auch sprachlich überarbeitet werden, wenn zum Beispiel Umgangssprache in Schriftsprache übertragen wird.
Wichtig: Veränderungen sind die absolute Ausnahme. Denn der Sinn des Gesprochenen sollte stets bestehen bleiben.
Interview schreiben: Aufbau festlegen – Gespräch führen – Ergebnis verschriftlichen
Das sind die drei entscheidenden Schritte für ein Interview. Wo der Autor bei anderen Artikeln viele Freiheiten hat, sind diese beim Interview eingeschränkt. Umso mehr kommt es darauf an, das Interview gut vorzubereiten und bei der Durchführung darauf zu achten, dass der Interviewpartner gerne antwortet.
Keine Zeit, ein Interview zu schreiben?
Kommentare
Uwe Dickmann 29. Mai 2022 - 19:19
Interessant, hat mir sehr geholfen!